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24 Stunden Heiligabend – Unsere kleine Weihnachtsgeschichte
Der Heiligabend ist für die meisten Menschen in Deutschland ein ganz besonderer Tag. Man umgibt sich mit seinen Liebsten, sitzt gemütlich beieinander und genießt ein traditionelles Weihnachtsmenü. Es gibt aber eine Menge Menschen, die an diesem Abend arbeiten müssen. Sie sorgen – meist im Hintergrund – dafür, dass wir es gemütlich und sicher haben. Um diesen Menschen einfach mal Danke zu sagen, haben wir einige von ihnen besucht.
Unsere kleine Rundreise durch Herdecke und Wetter beginnt dort, wo es Heiligabend so gar nicht beschaulich ist: Im Supermarkt. Die Tage vor Weihnachten sind traditionell die umsatzstärksten. Kaum ein Einkaufswagen, der nicht übervoll ist, verlässt den Laden. Entsprechend zufrieden sind die Kaufleute. Kaufland-Chef Jaroslaw Jankowski: „Wir geben heute nochmal alles und freuen uns dann auf ein paar freie Tage.“
Nach Geschäftsschluss wird es fast schlagartig ruhig in den Ruhrstädten. Am späten Nachmittag drehen die letzten Linienbusse ihre Runden und dann ist auch auf den Straßen kaum noch ein Auto zu sehen. In der Aula der Schule am See feiert die Ruhrkirche am Nachmittag Gottesdienst. So wie viele andere Kirchen auch, denkt sich der Reporter – und geht trotzdem hin. Erster Eindruck: So wie bei den anderen ist da irgendwie gar nichts. Am Eingang erwartet die Gäste ein roter Teppich und freundliche Damen, die ein Glas Sekt oder Saft anbieten. Drinnen macht ein Fotograf Familienfotos, auf der Bühne breiten sich Musiker und Darsteller auf das Programm vor. Irgendwie anders ist auch der Pastor: Ein smarter junger Mann, der eher nach Showmaster aussieht. Ist bei Ihnen alles anders, Timo De Buhr? „Wir wollen halt Menschen jeden Alters begeistern, da muss man sich schon etwas einfallen lassen. Sie können gern da bleiben und sich ein Bild machen.“ Würde der Reporter gern – aber es stehen ja noch einige Besuche auf dem Programm, in dieser Nacht…
Der Gedanke an den nächsten Termin bereitet dem Weihnachtsreporter ein bisschen Unbehagen. Abendessen und Bescherung im Seniorenheim. Haben da etwa herzlose Menschen die Oma abgeschoben? „So schlimm ist es nicht“, sagt die Dame vom sozialen Dienst. Es seien im Laufe des Tages überdurchschnittlich viele Besucher da gewesen. Einige Bewohner seien auch von ihren Familien abgeholt worden. Aber die meisten seien eben doch im Heim geblieben. Für die habe man sich aber so einiges einfallen lassen. Schon am Nachmittag gab es Programm und jetzt würden sich die mobilen Bewohner zum traditionellen Weihnachtsessen mit anschließender Bescherung treffen. Die meisten Bewohner verbringen den Rest des Abends auf ihren Zimmern, die Mitarbeiter des sozialen Dienstes haben jetzt Feierabend. Das Pflegepersonal bleibt die ganze Nacht im Haus. Die besuchen wir dann gegen Mitternacht noch einmal.
Was machen eigentlich die, die immer da sind? Was macht eigentlich die Feuerwehr? „Die macht es sich gemütlich“, sagt Christian Arndt von der Herdecker Feuerwehr. Gemütlich? An den Feiertagen sei die Feuerwehr zwar auch rund um die Uhr startklar, aber als freiwillige Feuerwehr würde man nicht in der Wache auf Einsätze warten. Alle Mitglieder würden durch Funkrufempfänger zu Hause alarmiert. Innerhalb weniger Minuten würden die dann alle Gänsekeulen fallen lassen und zu den Wachen fahren. Genau so wird das auch in Wetter gehandhabt, bestätigt Patric Poblotzki von den Wetterschen Kollegen. Ganz anders sieht das beim Rettungsdienst aus. Da die ohnehin ständig zu Notfällen ausrücken müssen, „wohnen“ die über die Festtage für jeweils 24 Stunden in der Rettungswache. Wohnen? „Ja, die Dienste in Herdecke dauern von 7.30 bis 7.30 Uhr des Folgetages. Dazwischen arbeiten, essen und schlafen wir in der Wache.“, sagt Alexander Heimes von den Johannitern, die heute für den Rettungsdienst verantwortlich sind. Kochen? Gibt’s da auch ’ne Weihnachtsgans? „Ausgeschlossen. Stellen Sie sich vor, man schiebt das Essen in den Ofen und dann kommt der nächste Einsatz. Wir müssen mit einfachen Gerichten vorlieb nehmen, die man schnell bei Seite stellen kann, wenn der nächste Notfall kommt.“ Gibt es auch typische Weihnachtseinsätze für den Rettungsdienst? Vielleicht die Gräte vom Weihnachtskarpfen im Hals von Tante Käthe? „Eher selten. Meist beschäftigen uns die gleichen Probleme, die uns an anderen Wochenende auch begegnen. Es gibt zu Weihnachten allerdings viel weniger Unfälle weil kaum Autos unterwegs sind.“
Ein paar Stunden später schauen wir noch auf der Rettungswache in Wetter vorbei. Es ist schon 22 Uhr. Auf dem Herd stehen Eierravioli aus der Dose. Das Prinzip ist das selbe wie in Herdecke. Nur das hier heute ein Team aus Leuten von den Johannitern und dem DRK Dienst tun. Schon was passiert? „Ja, wir waren gerade bei einem Feuerwehreinsatz und zuvor im Seniorenheim.“ Na dann .. die Nacht hat ja erst begonnen…
Was den Reporter schon immer interessiert hat ist die Frage, ob irgendjemand an Heiligabend im Hotel schläft. Wenn ja, wer? Wenn das jemand weiß, dann die netten Damen an der Rezeption des größten Hotels der beiden Städte, dem Zweibrücker Hof. Gegen 19 Uhr hat dort gerade der Nachtdienst an der Rezeption begonnen. Sandra Wölki wird bis zum Morgengrauen für die Gäste da sein. Gäste? Da ist doch heute sicher niemand, oder? „Wir haben heute fast 60 Gäste“, lacht die junge Frau. Das seien aber nicht die typischen Geschäftsreisenden oder Touristen. An Weihnachten würden Privatreisende kommen, die in der Region Familie oder Freunde besuchen. Die würden dann im Hotel schlafen und tagsüber bei ihren Lieben Weihnachten verbringen. Wieder etwas dazu gelernt.
Auf dem Weg nach Wetter fällt dem Nachtreporter Licht im Pförtnerhaus des Herdecker Kraftwerks auf. Sitzt da etwa die ganze Nacht jemand im Nirgendwo? Ja. Ein freundlicher Herr begrüßt den Reporter. Weil wir nicht angemeldet sind, dürfen wir auch nicht hereinkommen. So ein Kraftwerk ist in Zeiten irrer Terroristen schließlich Sicherheitsbereich. Und der Wachmann muss nun die ganze Nacht hier einsam sitzen? „Ja, im Prinzip schon. Im Kraftwerk arbeiten noch einige Leute, die dafür sorgen, dass alles reibungslos läuft. Die sehe ich aber eher selten.“, sagt der Mann, den wir Kalli nennen sollen. Ist das nicht einsam? Das sei nicht so schlimm. In der schönen Natur rund um das Kraftwerk könne man oft Tiere beobachten, ab und zu komme auch mal ein Spaziergänger vorbei. Heute Abend wird der Reporter aber wohl der einzige Besucher bleiben…
Nächste Station Tanke. Kleine Erfrischung für’s Auto und den Fahrer. Habt ihr etwa die ganze Nacht geöffnet? Klar, sagt der freundliche junge Mann an der Kasse. „Unsere Tankstelle hat an jedem Tag des Jahres rund um die Uhr geöffnet.“ Und wer kommt da so? Erstaunlicherweise seien es viele Menschen, die noch eine Kleinigkeit für’s Fest brauchen. Lebensmittel, Spirituosen, Pralinen – eigentlich alles außer Benzin. Getankt werde natürlich auch, aber eher nebenbei. Und wie lange dauert die Schicht heute? „Bis Mitternacht – dann kommt der Nachtdienst.“
Inzwischen ist beste Bescherungszeit in der Stadt. Kein Mensch und kaum ein Auto sind auf den Straßen zu sehen. Nur hinter den vielen festlich beleuchteten Fenstern sieht man manchmal jemanden. Licht brennt auch in der Polizeiwache. Ob dort überhaupt etwas zu tun ist? Die bösen Jungs sind heute auch ganz zahm, oder? „Leider nein“, sagt die freundliche Wachdienstleiterin, die heute mit weiteren Kolleginnen und Kollegen Dienst hat. Schon morgens habe man mit einem Raubüberfall zu tun gehabt. Meist seien es aber weniger spektakuläre Einsätze. Wenn Menschen Alkohol trinken und Familienmitglieder zusammentreffen, die sich vielleicht nicht so ganz doll lieb haben, gebe es halt schon mal Auseinandersetzungen, die dann auch mal von der Polizei geschlichtet werden müssten. Hinzu kämen die Klassiker, wie betrunkene Autofahrer oder randalierende Halbstarke. Die seien leider auch zu Weihnachten unterwegs. Und wie ist es, wenn man zu Weihnachten arbeiten muss, statt bei den Lieben zu sein? „Halb so schlimm“, lacht die junge Chefin vom Dienst. „Wir versuchen es uns zwischen den Einsätzen ein bisschen gemütlich zu machen. Wir haben Kuchen mitgebracht und wir haben sogar einen kleinen Weihnachtsbaum.“ Gerade als wir mit einem Kaffee anstoßen und den Kuchen probieren wollen, kommt der nächste Einsatz. Eilig geht’s zum Streifenwagen. Der Kaffee wird wieder mal kalt und der Kuchen bleibt liegen. Die Polizei ist eben immer im Dienst…
Eine Berufsgruppe, die gerade an besonderen Tagen Hochkonjunktur hat, ist die der Taxifahrer. Einer von ihnen ist Yasin Savas. Zusammen mit seinen Kollegen fährt er heute vor allem Menschen auf dem Weg von oder zu Familienbesuchen. Die Menschen an Heiligabend seien besonders freundlich und auch beim Trinkgeld spendabler als an anderen Tagen.
Am späten Abend besuchen wir noch einmal das Seniorenheim. Die Bewohner sind längst auf ihre Zimmer gegangen. Die Mitarbeiter in der Pflege bleiben noch bis zum Morgengrauen. Pflegedienstleiterin Katharina Wojciechowski hat trotzdem gut zu tun. Mehrmals in der Nacht werden Bewohner versorgt, die sich nicht selbst helfen können. Oft – und gerade zu Weihnachten – wollen die Menschen auch einfach mal mit jemandem reden. Keine Frage, wer will da schon allein sein…
Inzwischen ist es nach Mitternacht. Für den Reporter beginnt nun der Bereitschaftsdienst. Wir wollen auch darüber berichten, wenn Menschen mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt werden, wenn zum Beispiel irgendwo der Strom ausfällt oder ein Rohrbruch für Ärger sorgt. Dazu haben wir in den Leitstellen der Versorgungsunternehmen unsere Telefonnummer hinterlegt. Wenn also jemand raus muss, dann muss der Reporter auch aus dem Bett. In dieser Nacht ist aber nichts passiert. Stromkabel sind eben auch nur ein Teil einer riesengroßen Weihnachtsbeleuchtung – da kann man ja nicht an Heiligabend schlapp machen… 😉
In diesem Sinne: Schöne Weihnachten!