Politik
„Zeit des Schweigens ist vorbei“ – Opposition mischt Ratssitzung auf
Es war erwartet worden, dass die letzte Sitzung des Stadtrates vor der Sommerpause am vergangenen Montag interessant wird. So kam es dann auch: „Die Zeit des Schweigens is scheinbar vorbei“ kommentiert unser Reporter das Aufeinandertreffen der Bürgermeisterpartei (SPD) und der Opposition. Zu lange hatten sich die stets siegessicheren Genossen über Spielregeln hinweggesetzt und Gegner offen drangsaliert. Jetzt war der erste Tag der Abrechnung gekommen.
So hielt der CDU-Ratsherr Cosimo Palomba gleich zwei flammende Reden für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und prangerte offen die – nach Ansicht der meisten Oppositionsparteien – vom Bürgermeister und seinen Parteifreunden zu vertretenden Demokratiedefizite in Wetter an. Thema waren die Freien Wähler „Bürger für Wetter“, die ihre Mitwirkungsrechte im Stadtrat erst vor Gericht durchsetzen mussten und auch die sehr spezielle Informationspolitik der Bürgermeisters. Letztere hatte unlängst dazu geführt, dass die Abgeordneten der CDU-Fraktion aus Protest ein Zeitungsabo für alle Ratsmitglieder beantragten. Schließlich hatte der Bürgermeister auf Kritik an der mangelnden Information des Rates gern mal geantwortet, man könne ja die Zeitung lesen um sich zu informieren.
Auch die Grünen meldeten sich mit deutlichen Worten zurück. Fraktionschefin Karen Haltaufderheide äußerte sich bestürzt zu den Vorgängen rund um das Gerichtsverfahren in Sachen „Bürger für Wetter“. Schließlich beantragte sie sogar ein Votum des Rates, sich von dem ungebührlichen Verhalten der Stadtchefs zu distanzieren. Für besondere Verärgerung bei den Grünen sorgte wohl jene Stellungnahme der Verwaltung – in Person des Justiziars – in der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts angegriffen wurde.
Die Deutlichen Worte der Nicht-SPD-Fraktionsmitglieder führte schließlich zu einem Strategiewechsel bei den „Königstreuen“. Man einigte sich darauf, dass die Stadt nicht gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vorgehen wird. Ausserdem wolle die Stadt ihre „Kommunikationspolitik überprüfen“. Darüber hinaus wurden auch die Inhalte des Urteils des Verwaltungsgerichts umgesetzt. So sind die „Bürger für Wetter“ jetzt Fraktion mit Segen des Bürgermeisters und Mitglied in den Ausschüssen.
Kirsten Stich, ihreszeichens Stellvertreterin des Bürgermeisters und Ratsfrau für die SPD beschwerte sich pflichtemäß über den Vortrag der CDU und fand die Kritik am Stadtchef „befremdlich“. Sie erwähnte zudem, dass die SPD doch den Wählerwillen im Rücken habe. Jener habe ihnen alle Direktmandate und auch noch einen Listenplatz eingebracht. Die fällige Nachhilfe in Mathematik für die eifrige SPD-Frau gab es dann aber doch nicht von der Opposition. Schade eigentlich, erklärten mehrere Anwesende später. Es hätte bestimmt lustig werden können zu erfahren, wie die SPD ihren Wählerwillen im Rücken erklärt, wenn über 50 Prozent der Wetteraner gar nicht abstimmen und die verbliebenen 49% gerade einmal mit etwas mehr als 45% für die Genossen stimmen.
Hellhörig werden durfte man bei dem Statement des Bürgermeisters wonach die „Zeit der Leserbriefe ja jetzt vorbei“ sei. Wasser auf die Mühlen jener, die sich schon lange über die gesteuerten Stimmungsmacher ärgern, die auf allen Kanälen jeden Kritiker anpöbeln, der sich wagt, etwas gegen die Politik der Partei oder deren Projekte sagen. Insbesondere im sozialen Netzwerk „Facebook“ ist diese Vorgehensweise bestens bekannt. Wurden die jetzt etwa zurück gepfiffen?
In der Tat kann man den Eindruck gewinnen, dass die Partei (SPD) und ihr Stadt- und Parteichef ihre Strategie überdacht haben. Einiges deutet darauf hin, dass man sich erst einmal wegduckt bis der „Shitstorm“ verflogen ist. Das wäre eine durchaus kluge Taktik – schließlich könnte nach den Sommerferien längst alles vergessen sein und den wirklich wichtigen Projekten der Partei steht nichts mehr im Weg. Auch die Forderung nach einem Rücktritt des Bürgermeisters wären dann längst vergessen.
In diese neue „Kommunikationsstrategie“ passt auch der artige Kommentar der stets königstreuen Lokalzeitung. Dort wundert sich Redakteur Klaus Görzel darüber, dass die Opposition den Bürgermeister kritisiert. Und weiter heisst es dort, die Einforderung der demokratischen Rechte der Freien Wähler sei „Rechthaberei“. Da darf man sich fragen, ob erwachsene Menschen tatsächlich nicht wissen, wie Demokratie funktioniert oder aber die Dorfzeitung nun endgültig in das Eigentum der Partei übergegangen ist. Aber es war ja nur ein Kommentar – der muss ja nicht der Meinung der Redaktion entsprechen…